Fachleute raten: Das Geld nicht in die Mülltonne werfen › Experten empfehlen sich frühzeitig Hilfe zu suchen bei Finanzsorgen

Erstellt am 23. August 2017

SULINGEN (hab) › Schulden sind mittlerweile Alltag, ob die Baufinanzierung für das Eigenheim, der Ratenkauf im Möbelhaus oder der Dispokredit beim Girokonto. Zum Problem werden sie allerdings, wenn es beim Zurückzahlen Schwierigkeiten gibt und den Betroffenen die Forderungen über den Kopf wachsen. Davon kann Stefan Krombach aus eigener Erfahrung berichten.

Seine Ehefrau stammt gebürtig aus Sulingen, und so zog er mit ihr nach dem Berufsleben in die Sule-Stadt, damit seine Frau ihre Mutter pflegen konnte. Zuvor hatten beide ein Haus
nahe Mainz bewohnt, wo Krombach 34 Jahre lang als Bildingenieur beim ZDF tätig war. Infolge fehlerhafter Beratung durch ein Geldinstitut habe man das Haus weit unter Wert verkauft
und so statt Kapital plötzlich Schulden gehabt, erzählt er. So sei er auf den Verein für Kreditnehmer und in finanzielle Not geratene Menschen (VfK) mit Sitz in Sulingen gestoßen und
war von dessen Hilfe so überzeugt, dass er hier inzwischen ehrenamtlich mitarbeitet. „Ich  wollte etwas Sinnvolles tun und nicht nur mit dem Hund spazieren gehen“, zumal er in den
Achtzigern bereits im Landesvorstand der Jusos in Rheinland- Pfalz mitgewirkt habe. „Man muss die Öffentlichkeit informieren, damit sich die Menschen früher Hilfe suchen“, empfiehlt er – am besten so frühzeitig, dass es gar nicht erst zu einer Insolvenz komme. Die Zeit spiele überhaupt eine große Rolle, um die entstehenden Kosten nicht weiter anwachsen zu lassen. Wie schnell das gehen kann, zeigt ein aktuelles Beispiel aus der Beratung: Dabei war ein Klient einen Betrag von 75,60 Euro schuldig geblieben. Innerhalb eines Vierteljahres war die Forderung durch Gebühren
durch Zinsen und Gebühren auf 365,32 Euro angewachsen – der Betrag hatte sich also nahezu verfünffacht! „Das ist so, als wenn man sein Geld in die Mülltonne wirft“, verdeutlicht Carsten
Leymann, zertifizierter Schuldner- und Insolvenzberater des VfK. Daher sei es wichtig, die Klienten möglichst ohne Wartezeit zu betreuen, und in der Regel bekomme man innerhalb
einer Woche einen Termin beim VfK. Für Schuldner gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Unterstützung, die aber vielfach weder den Schuldnern noch den Gläubigern bekannt sind. Dazu
zählt beispielsweise die vorzeitige Restschuldbefreiung, auch bekannt als 35-Prozent-Regelung. Dieses Instrument wurde mit einer Reform der Insolvenzordnung zum 1. Juli 2014 eingeführt.
Es sieht vor, dass Schuldner das Verfahren abschließen können, wenn sie innerhalb von 36 Monaten 35 Prozent der Gläubigerforderungen plus die Kosten des Verfahrens aufbringen können, entweder per Raten oder als Einmalzahlung, die auch von Dritten geleistet werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass mehr als die Hälfte der Gläubiger dem zustimmt und die zustimmenden Gläubiger auch die Mehrheit der Forderungen auf sich vereinigen. Sinnvoll sei dieser Weg vor allem zur außergerichtlichen Einigung vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, sagt Leymann,
„es ist eine große Chance für beide Seiten!“ Für die Gläubiger biete sie gleich mehrere Vorteile: Auf diesem Wege erhalten sie zumindest 35 Prozent ihrer Forderungen, während ihnen im normalen Insolvenzverfahren nach Abzug der Kosten für Verfahren und Insolvenzverwalter oft nur 0,5 Prozent der ursprünglichen Forderung bleiben. Außerdem gehen die Zahlungen
früher bei ihnen ein, während sie sonst erst nach Abschluss des 72 Monate dauernden Verfahrens ausgezahlt werden. „Wir haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht“, berichtet Leymann.
Eine weitere Hilfestellung für Schuldner ist die Möglichkeit, ein vorhandenes Girokonto in ein sogenanntes Pfändungsschutzkonto, kurz P-Konto, umzuwandeln. Die Besonderheit des P-Kontos ist, dass automatisch der Pfändungsfreibetrag gewahrt bleibt, sodass der Kontoinhaber wenigstens darüber verfügen kann. Das geschieht allerdings nicht von alleine, sondern der Kontoinhaber muss dazu einen Antrag bei seiner Bank stellen; entsprechende Vordrucke hält der VfK bereit. Zum 1. Juli werden allerdings die Pfändungsfreibeträge angehoben, und Inhaber eines PKontos
müssen dann einen neuen Antrag für den erhöhten Freibetrag stellen. Am einfachsten ist es jedoch, es gar nicht zu einer Überschuldung kommen zu lassen. Der VfK plant daher bei entsprechendem Interesse Informationsveranstaltungen zur Haushaltsführung. Darin soll es um Strategien gehen, den Überblick über Einnahmen und Ausgaben zu behalten. Die Räume des VfK stehen Ratsuchenden Montags bis Freitags von 8.30 bis 12 Uhr und von 13.30 bis 17 Uhr sowie nach Vereinbarung offen.