Kreiszeitung – 19.09.2017

Erstellt am 21. August 2020

Unterstützung vom VfK

Licht am Ende des Tunnels für insolventen Stuhrer Handwerker

19.09.17

Stuhr – Von Andreas Hapke. Die Geschichte des selbstständigen Handwerkers Hermann K. (richtiger Name der Redaktion bekannt) liest sich wie die vieler Menschen, die unverschuldet in finanzielle Schieflage geraten sind: Krankheit, fehlende Einnahmen wegen nicht bezahlter Rechnungen, Schulden, Insolvenz. Und doch gibt es einen Unterschied zu anderen, ähnlich gelagerten Karrieren:

Der Zufall wollte es, dass der Stuhrer an Christa Lobner gerät. Die Mitgründerin des Vereins für Kreditnehmer (VfK) mit Sitz in Sulingen nahm sich seines Falles an. Heute sieht K. wieder Licht am Ende des Tunnels.

Hermann K. ist gerade dabei, auf der Abendschule seinen Meister zu machen, als er wegen – wie sich später herausstellt – Schimmelpilzen in seiner Wohnung Asthma bekommt. Das Ehepaar kauft ein Grundstück mit zwei kleinen Häusern, wovon eines für die Schwiegereltern gedacht ist. Zu diesem Zeitpunkt hat K. wegen seiner Fortbildung schon nicht mehr so viele Aufträge angenommen.

Zwei seiner Kunden zahlen nicht, das Paar aber muss den Kredit fürs Haus bedienen. Die Abwärtsspirale kommt in Gang. K. kann seine Zulieferer nicht bezahlen und hinkt mit der Steuererklärung hinterher, weil er sich keinen Berater leisten kann. Daraufhin trudeln Schätzungen des Finanzamts ein. „Die Beträge wurden mit jedem Schreiben höher, am Ende stand er mit 35. 000 Euro in der Kreide“, erklärt Lobner. Sie kennt solche Geschichten und weiß auch, wie diese häufig weitergehen, nämlich so wie bei K.: Eine laut Lobner „falsche Schuldnerberatung“ führt ihn in das gerichtliche Insolvenzverfahren. Kern der Insolvenzmasse ist die Hälfte des Hauses, weil die Ehefrau nicht zu belangen ist.

20 .000 Euro hätten für Einigung gereicht

„Das wäre nicht notwendig gewesen“, sagt Lobner, die in ihrer Arbeit auf außergerichtliche Einigungen setzt, immer unter der Prämisse: „Das Haus muss bleiben. Sie können nicht das ganze Vermögen zerstampfen, das Nest der Familie“, sagt die 76-Jährige. Sie ist schon wieder kurz davor, sich aufzuregen, so sehr fehlt ihr das Verständnis für den Automatismus „Schulden da, Haus weg“. „Dazu muss man wissen, dass der Insolvenzverwalter 40 Prozent aus der Insolvenzmasse einstreicht. Der hat gar kein Interesse daran, das anders zu regeln.“

Laut Lobner hätte ein Kredit von 20. 000 Euro gereicht, um ein gerichtliches Insolvenzverfahren abzuwenden. „Damit hätte man alle Gläubiger zu 35 Prozent befriedigen können. Das ist eine gute Quote, das Finanzamt wäre schon mit weniger zufrieden gewesen.“ Auf eine solche Lösung wäre K. nach eigener Aussage nicht gekommen. Niemals hätte er sich weiter verschuldet, um das Tal der Tränen zu verlassen. Stattdessen fühlte er sich immer hilfloser. „Ich war psychisch am Ende“, berichtet K. Noch heute ist er krankgeschrieben.

Lobner kennt die Gefühlswelt der Betroffenen aus eigener Erfahrung. Scheidungsbedingt hatte sie selbst vor einigen Jahrzehnten vor dem Verlust ihres Hauses gestanden. „Ich hatte einen Schutzengel“, sagt sie. „Dadurch habe ich gemerkt, wie schnell Hilfe geht und was sie bewirken kann. Das wollte ich weitergeben.“ Ständig bilde sie sich weiter, um den Menschen in deren Not mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Ihrer Auskunft nach hat der VfK bereits bundesweit 600 Häuser halten können. „Häufig dadurch, dass Verwandte die Immobilie gekauft haben.“

Immobilie gehört jetzt den Schwiegereltern

So ist es auch bei K. gelaufen. Lange hat er in der Angst gelebt, die Immobilie zu verlieren. Jetzt gehört sie den Schwiegereltern. „Dafür habe ich lange mit dem Insolvenzverwalter gerangelt“, erzählt Lobner. Auf den Gang des im März 2016 eröffneten Insolvenzverfahrens hat das allerdings keinen Einfluss. Wie dort der Stand der Dinge ist, wollen Lobner und K. jetzt in Erfahrung bringen. Dazu müssen sie einen Zwischenbericht beim Amtsgericht einfordern. „35 .000 Euro dürften durch das Verfahren schon weg sein“, sagt Lobner.

„Es heißt immer: Insolvenz ist nicht so schlimm. Aber man bekommt kein Handy mehr und findet keine Versicherung für das Auto“, sagt K. Gerade selbstständige Handwerker müssten eine vernünftige Schuldnerberatung haben. „Viele gehen wegen nicht bezahlter Rechnungen pleite“, weiß K. Für sie sei es wichtig zu wissen, dass es eine Alternative zum Insolvenzverfahren gebe. „Die würden doch sofort losfahren und sich die 20 .000 Euro oder wie viel sie dafür brauchen irgendwie erarbeiten.“

Finanziert wird der VfK vom Landessozialamt. Verlässliche Zahlungen gibt es laut Lobner aber nur für die Beratung von Arbeitslosengeld-II-Empfängern und von zahlungsunfähigen Personen. Zudem erhalte der Verein Geld für außergerichtliche Einigungen, abhängig von der Zahl der Gläubiger. Für einen Abschluss mit bis zu fünf Gläubigern etwa gebe es 120 Euro. Wenig Geld für viel Arbeit, weshalb der VfK einen Antrag auf Unterstützung beim Landkreis gestellt hat. „Wir könnten uns besser aufstellen“, sagt Lobner – und mehr Leuten mit Schicksalen wie dem von Hermann K. helfen.

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