Zahl der überschuldete Haushalte steigt stetig › Verein für Kreditnehmer seit 30 Jahren in Sulingen aktiv

Erstellt am 9. November 2016

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Christa Lobner und Carsten Leymann (v. l.) mit einigen Klienten, denen sie in jüngster Zeit beim Erhalt des eigenen Hauses helfen konnten. Foto: Bartels

SULINGEN (hab) › Laut Schuldner-Atlas 2015 galten in Deutschland rund 3,35 Millionen Haushalte als überschuldet und nachhaltig zahlungsgestört –eine Zahl, die in den letzten Jahren stetig, wenn auch weniger

stark als zuletzt, gestiegenist.

Daraus ergaben sich nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2015 im Bundesgebiet 78.436 Privatinsolvenzen:

Die meisten mit 20.445 gab es in Nordrhein-Westfalen, auf Platz zwei folgt Niedersachsen mit 10.993 Insolvenzverfahren. Unterstützung bei solchen Verfahren erhalten die Betroffenen von Schuldner- und Insolvenzberatungen.

Zu ihnen zählt auch der Verein für Kreditnehmer und in finanzielle Not geratene Menschen (VfK) in Sulingen aus dem Landkreis Diepholz, der in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen feiert. Im Mai 1986 gegründet als Selbsthilfegruppe von Betroffenen,

ist der Verein inzwischen eine staatlich anerkannte Beratungsstelle. Rund 200 Insolvenzberatungen führen die Mitarbeiter pro Jahr durch – „die Zahl ist kontinuierlich gestiegen“, so Christa Lobner, seit der Gründung die 1. Vorsitzende des VfK. Zu den aktuellen Fällen zählt der von Ehepaar K. aus dem Landkreis Nienburg. Der Sohn

des Paares hatte rund 20.000 Euro Schulden, vorwiegend aus dem Kauf eines Autos. Für diese Summe hatte das Paar eine Bürgschaft übernommen, während zugleich der Sohn mit der ratenweisen Rückzahlung seiner

Verbindlichkeiten begonnen hatte. Als das Paar aufgrund eigener Verpflichtungen selbst in die Insolvenz

geriet, stoppte der Insolvenzverwalter die Rückzahlungen des Sohnes, überwies ihm das bereits zurückgezahlte

Geld zurück und verlangte vom Ehepaar, das gerade geerbte Elternhaus von Frau K., in dem das Paar inzwischen lebt, zu veräußern. Der Wert des Hauses wurde auf 60.000 Euro geschätzt und von dieser Summe hätte der Insolvenzverwalter 26.500 Euro für seine Gebühren und Auslagen geltend machen können. Bei dem Amtsgericht habe man den Flyer des VfK- Sulingen gefunden und die Experten um Hilfe gebeten, berichtet das Paar. Das zahlte sich aus: Mit den Gläubigern und dem Insolvenzverwalter konnten Regelungen gefunden werden, mit

denen verhindert wurde, dass das Paar sein Heim verliert. Vor dem Verlust seines Hauses stand auch Herr H. aus dem Landkreis Diepholz. Eine Damenbekanntschaft

mit großen Ansprüchen hatte seine Ersparnisse verschlungen und zu einem Schuldenberg geführt. Um den abzutragen, hatte er bereits einige Ländereien verkaufen müssen, und für seinen Hof hatte es bereits zwei ergebnislose Termine zur Zwangsversteigerung gegeben. Gemeinsam mit seiner neuen Lebenspartnerin

wandte er sich an den VfK, und begleitet durch den Verein konnte seine Partnerin mit Unterstützung ihrer Familie den Hof bei der letzten Zwangsversteigerung erwerben. Gerade der Erhalt der Häuser sei für die Betroffenen wichtig, weiß Christa Lobner, denn „die Leute werden sonst heimatlos, aber sie wollen ihr Nest nicht verlieren!“ Über 600 Häuser habe man in den vergangenen 30 Jahren für die Betroffenen erhalten können, auch wenn

klar sei, dass man nicht jedes Haus retten könne. Gerade das sei aber ein Punkt, der vielfach

von Beratungsstellen vernachlässigt werde, weil der Kampf um die Häuser sehr aufwendig sei und nicht gesondert vergütet

werde. Der Umgang mit den Klienten sei gleich geblieben in den drei Jahrzehnten, erinnert sich Christa Lobner, verändert hätten sich hingegen die Formen der Verschuldung. Oft sei zu beobachten, dass die Klienten den Überblick über ihre Finanzen

verloren hätten, deswegen begleite man sie auch nach Beginn des Insolvenzverfahrens noch, zum Teil über mehrere Jahre

hinweg. Gewandelt habe sich auch die Arbeit mit den Gläubigern: „Mit den Banken vor Ort können wir eigentlich immer eine Lösung finden, wenn sich die Möglichkeit dazu bietet, das ist mit den großen Geschäftsbanken kaum möglich.“